Die Geisterstadt

Immerath (Erkelenz)

Garzweiler II das Schreckgespenst für so viele Einwohner des kleinen Örtchens Immerath (Erkelenz). An einem Sonntag im März kamen wir am hellichten Tag durch dieses Dorf. Die Strassen waren menschenleer. Keine Autos, keine spielenden Kinder, von all dem war nichts zu hören, nichts zu sehen, ausser die Strassen und die Häuser, deren Zugänge und Fenster teils mit Brettern vernagelt waren. Hören konnte man nur den kalten Wind, der an den Bäumen raschelte und den Staub über die schon lange nicht mehr gefegten Strassen blies. Als Kind hatte ich mit einmal ausgemalt, wie es wohl sein würde, ganz alleine auf der Welt zu sein. An diesem Ort wurde es mir bewußt und es kam ein unbehagliches Gefühl in mir auf. 1200 Menschen hatten hier einmal gewohnt. Aber die meisten sind schon vor vielen Jahren gegangen, denn die Umsiedelung hatte schon 2006 begonnen. Auf dem Weg zum alten Dom, in dessen Glockenturm ein größeres Loch klafft, um die Glocken zu entfernen, begegneten wir einem alten Mann, der sichtlich genauso erschrak wie wir auch und uns argwöhnisch musterte. Wir grüßen freundlich und kamen ins Gespräch. Er erzählte uns, dass er einer der ganz wenigen verbliebenen Einwohner im Ort sei und er immer auf der Hut vor Einbrechern, Plünderern und Metalldieben ist. Teilweise kommen sie Nachts und machen sich ohne wirklich leise zu sein an den Häusern zu schaffen um Rohre und Kabel zu stehlen. Trotzdem sei der Ort gut bewacht, denn auch schon umgesiedelte Einwohner geben die Hoffnung nicht auf, vielleicht doch noch in ihre Häuser zurück kehren zu können. Auf unsere Frage, warum er noch hier sei, entgegnete er uns mit trauriger Stimme: " Wissen Sie ich bin über 70 Jahre. Ich bin hier aufgewachsen und habe mein ganzes Leben hier verbracht. Wohin soll ich denn noch gehen in meinem Alter?" So etwas zu hören macht einen doch sehr betroffen, denn wie sagt man so schön: Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Das gesetzlich vorgeschriebene Allgemeimeinwohl, was über Privatbesitz steht und die Zwangsumsiedlung und Enteignung legitimiert, macht schon gar nicht vor Alten und Wehrlosen halt.  Wobei sich die Frage stellt, um wessen Allgemeinwohl es hier wohl geht. Wir verabschiedeten uns und gingen mit gedrückter Stimmung weiter. Überall das gleiche Bild, so wirklich aber auch unwirklich. Wir entdeckten alte Häuser neben neuen und modernen Anwesen, dessen bürgerlich gepflegte Einfahrten und Grundstücke der Vergangenheit  angehören. Unkraut in den geflasterten Zufahrten, überall vertrocknetes Laub und alte Zweige, daneben wiederum die Mülltonnen, feinsäuberlich zur Mülltrennung aufgereiht in den Farben Gelb, Braun und Schwarz  Dieser zur entgültigen Auslöschung geweihte Ort ist dennoch vom Vandalismus und sinnloser Zerstörung, verschont geblieben. Kaum eingeschlagene Fensterscheiben, keine Grafittis oder gar Brandstiftungen gibt es zu sehen. Ist es der Respekt vor der Hoffnung der Menschen? Am ehemaligen Krankenhaus und dem danebenliegenen alten, aus Backstein errichteten  Kloster "Haus Nazareth" standen schon die Baumaschinen zum Abriss bereit. Ein Wagen der Security parkte direkt davor, um unerwünschte Eindringlinge und Fotografen wie uns, vom Krankenhaus fernzuhalten. Wir wurden von den beiden Wachmännern genaustens in Augenschein genommen. Man hatte rund um das ganze Gelände riesige, uralte Bäume mit ihren meterdicken Stämmen gefällt  um den Abbruch vorzubereiten. Ein trauriges Bild. Wann der alte Dom an der Reihe ist, weiß man noch nicht so genau. Aber es wird wohl nicht mehr lange dauern, wie uns zuvor der ältere Herr bestätigt hatte. Entweiht wurde er schon Ende 2013. Nun dient er als Baulager und ist wie eine Festung verbarrikadiert.  In Zeiten der Energiewende und erneuerbaren Energien fragt man sich, wie es möglich ist, daß der nicht mehr zeitgemässe  Braunkohletagebau immer noch ganze Dörfer und alte Kulturlandschaften auffressen kann. Ehemals angesehene Politiker und Männer des Volkes, trugen in Verflechtungen und Filz mit dem Energieriesen auch dazu bei,  daß diese unglaubliche Umweltzerstörung möglich war und noch heute möglich ist. Man muss bedenken, daß hier jährlich 40 MIO !!! Tonnen Kohle in den zwei Kraftwerken verbrannt werden.  Hinzu kommt noch das permanente Abpumpen von Grundwasser, was für das Ökosystem im Umkreis weitreichende  Folgen hat. Hier hat die Ideologie der alten Energie immer noch die Oberhand. Wobei sich seit 2013, durch das längst fällige Umdenken der Politik, der Preis für CO2-Emissionsrechte fast verdoppelt hat und dadurch die Kraftwerkbetreiber endlich zu einem Strategiewechsel gezwungen wurden. Vielleicht gibt es noch Hoffnung, jedenfalls für die anderen von der Umsiedelung und Enteignung bedrohten Ortschaften und deren Menschen im Braunkohlerevier Garzweiler II.


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©2015 TEXTE & BILDER  Mr.X-MIX by Ralf



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* Die Faszination des Vergessenen .... Ja, hier noch mal für unsere Schnelleser: Es heißt nicht des "Vergessens" sondern des "Vergessenen" ;-)